Wie man einen Beitrag baut
Storytelling als Konfektionsware im News-Business.
Manchmal hat man schon den Eindruck, man könnte vorhersehen, wie es in den üblichen Aufreger- und Enthüllungs- und sonstigen Nachrichtengeschichten nach dem nächsten Schnitt weitergeht, welcher O-Ton jetzt kommen müsste oder in welche Richtung der nächste Kommentar geht. Woran das liegt, erklärt Martin Giesler in seinem Video anhand der üblichen medialen Aufbereitung einer fikiven Story.
Das ist so lange lustig, bis man anfängt, sich über die Masche zu ärgern, mit der die Medien einen jeden Abend wieder am Nasenring vor der Glotze halten.
Wer schon mal etwas von Stortelling gehört hat, dem schwant allerdings, dass bestimmte Elemente in die Geschichte einfließen müssen, um sie spannend zu erzählen:
- Der Erzähler, das ist hier der sich selbst inszenierende Journalist, der alle Fäden der Geschichte sinnvoll zusammenhalten kann.
- Ein eher tragischer Held ohne einen einzigen Helfer und deshalb in hoffnungsloser Situation. Das treibt den Zuschauer mental zur Sympathie, falls er sich nicht sogar als Schicksalsgenosse erkennt – und öffnet dem Journalisten die Möglichkeit, selbst die Helferrolle einzunehmen, wenn nicht sogar als Held zu kämpfen.
- Ein Experte als Mentor, in der Regel mit eher schwer verständlichen Ratschlägen.
- Die Politik, die Bürokratie oder der Kundendienst eines Unternehmens als Schwellenhüter und einzelne Vertreter als Gegner, die entsprechende Prüfungen bereithalten.
Der Ausgang ist offen, das Schicksal des tragischen Helden ungewiss.
Den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Geschichte macht wie immer aus, ob man nur die Zeit füllen musste oder ob man wirklich etwas zu sagen hat und sich für die Menschen spürbar interessiert. Dann interessiert das Publikum auch nicht mehr, ob jemand mit den selben Versatzstücken arbeitet wie alle anderen auch, weil die Form hinter der Geschichte verschwindet.
Der Abschlussfilm des ZDF-Volontariats von 120sekunden.com ist nebenbei auch ein schönes Beispiel für virales Marketing, 27.000 Aufrufe in 4 Tagen, zudem noch ungewollt.
Inspiriert wurde Martin Giesler vom Beitrags “How to report the News” von Charlie Brooker, einem sehr unterhaltsamen britischen TV-Journalisten oder journalistischem TV-Comedian, der im Januar 2010 seinem Publikum erklärt, wie Nachrichtenbeiträge aufgebaut sind, egal auf welchem Kanal sie laufen und worum es geht.
Die Original-Version von Charlie Brooker finde ich spektakulärer, weil es ihm eindrucksvoll gelingt, den simplen Mechanismus hinter der standardisierten Massenproduktion ausschließlich über die Analyse der formellen Elemente aufzuzeigen, ohne ein konkretes Thema dafür als Hilfsmittel zu benötigen. Völlig sinnfrei wird die Struktur viel besser sichtbar.
26. Januar 2010., Charlie Brooker: How to report the News.
In der swr3 latenight lieferte Reporter Pierre M. Krause im September 2013 eine weitere Version des Stücks ab, die eher zu einer deutschen Übersetzung des britischen Originals geriet.
Man sieht im Vergleich der beiden Fassungen auch wieder mal, wie schwer ein gutes Understatement hinzubekommen ist.