Das Handbuch zum Medien-Training
Das vergessene Kapitel: Lampenfieber
Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.
Mark Twain
Interviews haben für viele den selben Effekt und trotzdem haben wir vergessen, dieses Buchkapitel zu schreiben. Wir hielten Sie offensichtlich mit den Informationen für so gut vorbereitet, dass uns dieses Thema nicht in den Sinn gekommen ist. Aber es könnte doch mal wichtig werden, deshalb kommt hier ein Nachtrag, der schrittweise noch ergänzt wird.
Bei der Untersuchung der Gründe für die innere Aufregung wollen wir zunächst einmal zwischen dem normalen Lampenfieber und gesteigerter Auftritts- oder Versagensangst unterscheiden.
Schauspieler sagen etwas krass: Wenn ich kein Lampenfieber mehr habe, dann muss ich tot sein. Wenn selbst für diese Auftritts-Profis das Lampenfieber zum Beruf dazu gehört, dann sollten Sie auch lernen, damit zu leben.
Lampenfieber ist das Ergebnis der Vorbereitung des Körpers auf etwas Gefährliches wie die Löwenjagd oder den Angriff eines Bären, dafür brauchen wir Kraft und müssen schnell sein. Der Körper wird deshalb mit Adrenalin geflutet, wir stehen unter Hochspannung.
Zwar haben die meisten von uns schon seit einigen hundert Jahren nichts mehr mit Löwen oder Bären in lebensbedrohlichen Situationen zu tun, aber so schnell kann sich unser Körper nicht umstellen. Da werden Publikum, Journalist, Mikrofon und Kamera schnell zum Bären. Das Adrenalin verhilft zu gesteigerter Aufmerksamkeit. Das ist gut, wenn Sie produktiv genutzt werden kann. Ein paar Tipps, wie man damit ganz gut umgehen kann, stehen in den folgenden Kapiteln, die von Matthias Piwonka geschrieben wurden.
Das Thema Auftritts- und Versagensangst haben wir ausführlich in unserem Buch behandelt, nur nicht unter diesem Begriff. Alles, was Sie dort zum Thema lang- und kurzfristige Vorbereitung und über Gesprächstechniken lesen können, gehört in diese Rubrik.
Wer weiß, was die Anderen Fragen werden und wie er darauf antwortet, kann ziemlich entspannt in die Gespräche gehen.
Entspannung hilft gegen Nervosität. Und Ihr Auftritt wird gelingen.
Ich habe festgestellt, dass ein Mensch, der seine gewohnheitsmäßigen Reaktionen auch nur einigermaßen abstoppen kann, in der Lage ist, seine Funktionen und sein körperliches Verhalten in verhältnismäßig kurzer Zeit zu verändern und Verbesserungen zu erzielen, die man normalerweise für unmöglich hält.
M.F.Alexander
Info
Zur Zeit unserer Urahnen umfasste der Rahmen adäquater Reaktionen auf eine Bedrohung stets nur zwei Handlungsalternativen: Zuschlagen oder Davonlaufen (Totstellen als letzte Option).
Die Entscheidung für eine von beiden Möglichkeiten fiel instinktiv. Sie hatte natürlich etwas mit der körperlichen Größe des Angreifers zu tun. Außerdem war wichtig, ob ein Fluchtweg in Sicht war. Das Panikprogramm, das unser Körper dabei startete, kann man rekonstruieren.
Das Panik-Programm unseres Körpers
- Der Ausstoß von Stresshormonen (Adrenalin, Noradrenalin)signalisiert Alarmbereitschaft.
- Die Erhöhung der Muskelspannung bringt den Körper in Schwung.
- Die Umstellung auf Leistungsatmung („100m-Sprinter“: Hohe Atemfrequenz, Atmen in Brust und Schulter) und Erhöhung von Pulsfrequenz und Blutdruck sichern körperliche Höchstleistung.
- Die Verminderung der Hirnstromaktivität / Denkleistung und die Minimierung der Darmtätigkeit bis hin zur spontanen Entleerung („Schiss haben“) schaltet ab, was jetzt nicht nötig ist.
Das Problem
Unser Körper hält diese Reaktionsweise heute leider immer noch für angemessen. Auch wenn die Bedrohung von einem Auditorium, dem Interviewer , einem Kamerateam oder dem Chef ausgeht. Am treffensten lässt sich diese Erscheinung also charakterisieren als fehlangepasste Reaktionsweise unseres Körpers auf die Stresssituationen von heute. Namen dafür gibt es viele: Sprechhemmung, Sprechangst (Logophobie), Lampenfieber.
Als Nervosität kennt es jeder, der schon einmal schwierige kommunikative Aufgaben zu bewältigen hatte: Reden vor fremdem Publikum, Interviews, andere Medienauftritte. Klar ist aber, dass das erfolgreiche Bewältigen problematischer Kommunikationssituationen nicht von unseren sportlichen Reaktionen, sondern von unseren geistigen Leistungen abhängt. Wir müssen uns gut konzentrieren können und frei und beweglich im Kopf sein.
Da wir unter Druck aber gerade dort reduzieren, kann es zu Blackouts und Konzentrationsschwächen kommen. Wer anfällig für Nervosität ist, bei dem kann es zu einer Spirale kommen, in deren Verlauf sich das Panik-Programm steigert: Aufkommen von Nervosität – Wahrnehmen der Stresssituation / Ängstlichkeit – zusätzlicher Spannungsaufbau.
Die Lösung
Bei aufkommender Nervosität gilt es, das Stressprogramm unseres Körpers zu beenden (Ent-spannen) und für die volle geistige Einsatzfähigkeit zu sorgen.
Was tun?
Einleitung und Steuerung des Panikprogramms liegen beim autonomen Nervensystem, das den Ausstoß von Stresshormonen veranlasst. In diesen Prozess können wir nicht willentlich eingreifen. Wir können ihn aber umkehren, indem wir den Ablauf in einem der betroffenen Bereiche umkehren.
Das Prinzip besteht darin, dass wir unserem Steuermann Entspanntheit vorgaukeln, indem wir unsere Muskulatur entspannen. Der Autopilot unseres Panikprogramms fällt auf diese gefälschten Informationen herein und fährt sich selbst zurück. Im folgenden soll ein Weg gezeigt werden, bewusst diese Entspannung der Muskulatur herbeizuführen. Wer diesen Weg kennt und etwas geübt darin ist, kann durch gezieltes Anspannen einzelner Mukelgruppen und das anschließende, bewusst erlebte Entspannen rasch und effizient äußere (und innere!) Verkrampfung lösen.
Trainiert wird dabei auf körperlicher Ebene:
Im Zuge der gelungenen, das heißt vollständigen Muskelentspannung kommt es zur Beruhigung des gesamten Organismus und damit zur Wiederherstellung von Souveränität und Konzentrationsfähigkeit.
Die hier beschriebene Methode der „Progressiven Muskelrelaxation“ wurde von Edmund Jacobson im ersten Drittel dieses Jahrhunderts entwickelt.
In der Praxis musste sich diese Entspannungstechnik in der Ausbildung von Fliegerkadetten, in deren Vorbereitung auf Kampfeinsätze bewähren. Ihr Erfolg dabei verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Muskelentspannung und Angstminderung, sowie die Effizienz der Technik bei der Bewältigung von Stresssituationen unseres Alltags für den, der sich die einfachen Ausführungsschritte angeeignet und gut eingeübt hat.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt für den Anwender darin, dass er sich seiner ganz gewohnheitsmäßigen Verspannungen und der Muskelkontraktionen in Stresssituationen bewusst wird und diese korrigieren kann. Das heißt punkt-genau nichts tun,ent-spannen.
Übungen
Die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
- Für das Erlernen der Technik ist die Rückenlage die beste Ausgangsposition. Der Geübte kann die Muskelentspannung auch im Sitzen erreichen.
- Nach einigen Sekunden des Innehaltens – Augen zu – konzentrieren Sie sich nacheinander auf bestimmte Muskelgruppen (Zur Reihenfolge der Muskeln siehe unten).
- Die Muskelanspannung allmählich bis an die Maximalspannung steigern (5-7 Sek.).
- Kurze Spannungsverminderung auf Normalspannung.
- Kurze (schmerzfreie!) Maximalspannung. (Sie können auch die Punkte 4.+5. bei Ihren ersten Übungen auch überspringen)
- Loslassen und intensiv der Ent-Spannung der Muskeln nachspüren – nichts tun, nur zuschauen! Das ist das Wichtigste. Es geht darum, das Gefühl wirklicher Enspanntheit kennenzulernen und sich am besten daran zu gewöhnen. Das ist der wichtigste Part dieser Übung!
- Zurücknehmen: Nachdem Sie alle Muskelgruppen durch sind, nicht sofort aufstehen, sondern sich über Räkeln und Strecken – Augen auf – erst allmählich wieder auf Touren bringen.
Anmerkung: Die Übung kann auch als Einschlafhilfe verwendet werden, wenn der Kopf nachts Amok läuft.
Mit ein wenig Erfahrung wird es Ihnen möglich sein, diesen tatsächlichen Entspannungszustand von den alltäglichen und gewohnheitsmäßigen, wenngleich unerfreulichen und kraftraubenden Verspannungen zu unterscheiden.
Die Muskelgruppen werden in dieser Reihenfolge ge- und entspannt (progressiv):
- Dominante Hand und Unterarm(Rechtshänder beginnen also rechts): Sie spannen die Muskeln, indem Sie eine Faust machen (Daumen draußen) und fest pressen.
- Dominanter Oberarm: Spannen Sie die Oberarmmuskel, indem Sie Unterarm und Ellbogen gegen den Boden drücken.
- Die andere Hand und Unterarm: Wie eben.
- Der andere Oberarm: Wie eben.
- Stirn: Indem sie die Augen weit öffnen und die Stirn dabei in Falten legen, spannen Sie die entsprechenden Muskeln.
- Obere Wangenpartie und Nase: Ziehen Sie die Mundwinkel steil nach oben und weiten Sie die Nasenflügel, wie beim intensiven Riechen. Stellen Sie sich einen komischen Geruch vor, und sie wollen „erriechen“, ob es vielleicht brennt.
- Untere Wangenpartie und Kiefer: Beißen Sie die Zahnreihen fest zusammen
- Nacken und Hals: Drücken Sie mit dem Hinterkopf fest gegen den Boden.
- Brust, Schulter und obere Rückenpartie: Machen Sie den Brustkorb so schwer wie möglich und drücken so gegen den Boden
- Bauchmuskulatur: Spannen Sie die Bauchmuskeln, als ob Sie Situps machen würden.
- Dominanter Oberschenkel: Die Oberschenkelmuskulatur lässt sich sehr gut willkürlich steuern.
- Dominanter Unterschenkel: Auch die Unterschenkel sind gut zu steuern. Ziehen Sie die Fußspitzen zur Nase. Aber nicht überbeanspruchen, sonst besteht die Gefahr eines Krampfes.
- Dominanter Fuß (bei den Füßen etwas kürzer anspannen): Machen Sie eine „Faust“, wie Sie es mit der Hand auch machen würden
- Nichtdominanter Oberschenkel: Wie anderer Oberschenkel.
- Nichtdominanter Unterschenkel: Wie andere Wade
- Nichtdominanter Fuß: Wie anderer Fuß
- Hintern: Pressen Sie die Pobacken fest zusammen
Gegenüber anderen Entspannungstechniken, etwa dem Autogenen Training, hat die hier gezeigte Methode den Vorteil, dass sie schnell zu erlernen ist und in einer Kurzform auch unauffällig und im Sitzen gemacht werden kann: Wer in der Technik geübt ist, kann mit der Relaxation einzelner Muskelgruppen (Hände, Arme, Beine) und innerhalb kurzer Zeit den gewünschten Entspannungserfolg herbeiführen.
Folgende Übung kann sofort angewendet werden:
Wenn Sie vor einer Stresssituation Ihren Körper zu spüren bekommen, dann verhindern Sie, in der anschließenden Anspannung, völlig „neben sich zu stehen“. Der Schlüssel dazu ist unsere Wahrnehmung. Sie gilt es auf den Körper zu richten. Entspannung hat – im Gegensatz zur Abgespanntheit – viel mit Aufmerksamkeit zu tun. Denn: Ein aufmerksamer, fühlender Körper entspannt von selbst.
Konzentrieren Sie sich also im Vorfeld Ihrer nächsten, problematischen Sprechsituationauf auf die Art und Weise, wie sie dasitzen. Spüren Sie dabei lediglich, an welchen Stellen Ihr Körper mit der „Außenwelt“ in Kontakt ist: Die Füße – der Hintern – der Rücken – die Arme – sonst noch wo? Probieren Sie es in aller Ruhe aus.
Lassen Sie sich Zeit beim Erspüren dieser Kontakte. Versuchen Sie abschließend alle Kontaktstellen gleichzeitig wahrzunehmen. Wenn es Ihnen gelingt, sind sie einen großen Schritt beim Erlernen von Ent-Spannung weiter.
Die Atmung ist ein weiterer Komplex des Panikprogramms unseres Körpers, in den erfolgversprechend eingegriffen werden kann. Die dort gezeigten Übungen zur Tiefenatmung führen also auch die Entspannung des Gesamtorganismus herbei.
Richtig Atmen ist Voraussetzung für gutes Sprechen und überzeugende Wirkung.
F.M. Alexander
Dieses Kapitel enthält grundlegende Übungen einer Atemschule.
Wieso „Schule“? Atmen kann ich ja wohl von selber? Frage: Was haben das Atmen eines Radsprinters und das eines Marathonläufers gemeinsam? Beide Atemtypen leisten den notwendigen Gasaustausch. Aber – würde der Langstreckenläufer atmen wie der Sprinter (und anders herum), würde er nicht weit kommen. Es gibt also grundverschiedene Formen der Atmung…
Info
Die Atemformen unterscheiden sich hinsichtlich der Atemfrequenz, des Atemvolumensund ganz entscheidend hinsichtlich der Ausdehnung der Lunge. Interessant dabei ist, dass unsere Atmung, anders als der Ausdruck „Luftholen“ es vermuten lässt, ein eher passiver Vorgang ist. Anders als es sich für uns anfühlt, holen wir nicht mit unserer Lunge Luft.
Unsere Lunge wird durch die umliegenden Muskelpartien beatmet, indem wir die Muskeln spannen und entspannen. Die umliegenden Muskelgruppen sind die Schultermuskulatur, die Zwischenrippenmuskulatur, der Beckenboden und vor allem das Zwerchfell. Diese vergrößern die Lunge und damit Ihr Volumen.
Wie bei einem sich öffnendem Blasebalg fließt Luft in die Lunge. Das Ausatmen erfolgt durch den schwindenden Muskeltonus und die Luft strömt unwillkürlich aus. Es sein denn, das Ventil in unserer Luftröhre, die Glottis, ist geschlossen. So etwa beim schweren Heben oder beim Geburtsvorgang und Ähnlichem.
Es lassen sich grob drei verschiedene Atmungsmuster unterscheiden und folgendermaßen beschreiben:
1. Die Ruheatmung (auch Tiefatmung, Bauchatmung oder Abdominalatmung genannt)
Die Einatmung erfolgt vor allem durch Anspannen (=Kontraktion) des Zwerchfelles. Das Zwerchfell liegt quer zwischen Brusthöhle und Bauchhöle und bildet nach oben hin eine Kuppel. Durch Muskelkontraktion flacht die Kuppel ab, das Lungenvolumen vergrößert sich, so dass Luft in die Lunge strömt. Die Bauchdecke hebt sich. Das Verhältnis von Aus- und Einatemzeit bei der Ruheatmung ist annähernd gleich. Die Atemfrequenz ist niedrig. Die Wirkung einer solchen Atmung auf den Gesamtorganismus ist spannungsmindernd, also beruhigend. Es ist daher für jeden wichtig, dass diese Atemvariante ausgebildet ist.
Sie kann bei Bedarf gezielt gegen Nervosität eingesetzt werden.
2. Die Leistungsatmung (auch Hochatmung oder Stressatmung, Thorakal-/ Klavikularatmung genannt)
Richtig, das heißt angemessen, ist diese Atmung bei hoher körperlicher Leistungsanforderung. Zur Vergrößerung des Lungenvolumens weitet sich hier der Brustkorb mittels der Zwischenrippenmuskulatur, wie bei jedem Atemvorgang. Es hebt sich aber bei der Leistungsatmung auch der Schultergürtel, um die Lunge zu weiten. Die Bauchdecke dagegen kann sich sogar senken, wenn die Lunge in dem Maße nach oben hin geweitet wird, dass sich das Zwerchfell mitanhebt. Die Atemfrequenz und damit der Gasaustausch bei dieser Atmung ist sehr viel höher als in Ruhe.
Durch Einsatz dieser Atmung, vor allem durch den Einsatz der Schultern, wird unser Körper in ein hohes Spannungsniveau versetzt. Puls und Blutdruck steigen. Sprinter machen sich diesen Zusammenhang zu Nutze, wenn sie in der Startvorbereitung die Schultern hoch pushen und wieder fallen lassen. Im Gegenzug zur muskulären Spannung nimmt die Denkleistung (und auch die Verdauung) ab. Wir schalten quasi ab, was nicht unbedingt benötigt wird. Reagieren wir in einer Stresssituation, wie etwa einem Interview, einer Rede etc. mit diesen körperlichen Symptomen, dann besteht also nicht grundlos Furcht vor Blackouts und Konzentrationsschwächen. Sich so in der Rolle als Redner wohl zu fühlen, wird unmöglich.
3. Die Sprechatmung (respiratio phonatoria)
Für das Sprechen „alleinseligmachend“ ist eine relative Tiefatmung (kombinierte Brust-/Bauchatmung). Nur dann können wir nämlich die Ausatemluft so fein wie nötig dosieren.
Machen wir uns folgendes klar: Beim Sprechen atmen wir viel länger aus als beim Gehen, Laufen. Selbst beim Schlafen, also in größter Ruhe, atmen wir schneller aus, als beim Sprechen. Testen Sie es mal. Das hat auch nichts mit der Länge der Sätze zu tun. Es ist ein Phänomen , dass es uns so selbstverständlich gelingt, den Ausatemdruck auf das nötige Minimum („kritischer Betriebsdruck“) zu reduzieren.
Das Problem.
Wenn wir unter Druck geraten, schaltet unser Körper auf Leistungsatmung um, weil er aus prähistorischer Zeit mitschleppt, dass Stress immer etwas mit roher Gewalt zu tun hat (mehr dazu Gelassenheit).
Plötzlich gelingt es uns nicht mehr, in Ruhe weiterzuatmen. Die Anspannung vor einer Rede kann schon ausreichen, um diese körperlichen Symptome hervorzurufen. Wir fühlen uns beklemmt und glauben, dass wir nicht genügend Luft bekommen.
Entscheidend ist, dass wir beim Sprechen sehr langsam ausatmen. Der Streß treibt aber die Atmung vorwärts und bringt den Körper in Hochform. Während wir weitersprechen und damit dosiert ausatmen, funkt uns das Stressprogramm dazwischen. Wir atmen fest ein, schnappen nach Luft – geradeso als hätten wir nicht eh schon zuviel. So schaffen wir es nicht mehr, die Luft aus unserer Lunge zu bekommen.
Auch können wir beim Sprechen nicht stärker ausatmen, da bei zu großem Ausatemdruck der Stimmeinsatz nicht mehr funktioniert. Das wäre dann so, als würden wir viel zu fest in eine Flöte blasen – es quietscht allenfalls noch. Da sich die Lunge kaum mehr leert, verringert sich der Gasaustausch und es kommt tatsächlich zu „Atemnot“.
Die Auswirkungen auf unser Stressprogramm kann man sich gut vorstellen. Noch tiefer einatmen, körperliche Panik, und…
Ratlosigkeit angesichts der erstaunten Gesichter im Publikum, die scheinbare Unfähigkeit einen klaren Gedanken zu fassen, vielleicht gekrönt von dem innige Wunsch auf und davon zu laufen.
Was man tun kann.
Wie war das doch gleich? Atmen kann sowieso jeder. Warum also Atemschule?
Die Antwort ist hoffentlich gegeben. Es geht dabei nicht um Atemerziehung oder so etwas. Es ist schon viel gewonnen, wenn wir über das Wissen um die Atmung hinaus noch unsere Atmung wahrnehmen, spüren und steuern lernen.
Die folgenden Übungen arbeiten mit Bildern und gesamtkörperlichen Bewegungen , da sie uns die Wahrnehmung und Kontrolle feinmotorischer körperlicher Abläufe ersetzen und mit größerer Sicherheit zum richtigen Ergebnis führen.
Ein Wort zu den Autoren der Übungen: Sie sind im wesentlichen dem Buch „Atem und Stimme. Anleitung zum guten Sprechen“ der Wiener Autoren Horst Coblenzer und Franz Muhar entnommen.
Übungen
Reservieren Sie ein paar Augenblicke am Tag, in denen Sie sich Zeit nehmen für diese einfachen Atemübungen. Gut ist es zu Hause, wo Sie sich wohl fühlen. Die beste Tageszeit ist wohl der Morgen, wenn man noch frisch und ausgeruht ist. Wer sich vormittags schon auf seinen Körper besinnt, kann den Kontakt zu ihm während des Tages immer wieder herstellen.
So ergibt sich folgendes Vorgehen: Üben in Ruhe und Zuhause, dann gelingt es, die Übungen auch unter Druck und unterwegs anzuwenden.
1. Erstes Atemempfinden
Stellen Sie sich hin und halten Sie die Füße geschlossen. Atmen Sie wie gewohnt weiter und versuchen Sie dabei ganz ruhig zu stehen. Bald merken Sie, wie der Körper im Atemrhythmus mitschwankt. Wichtig dabei ist, dass Sie den Atem nicht beeinflussen, sondern nur beobachten. Wenn es Ihnen das gelingt, ist das schon eine reife Leistung, da unsere Fähigkeit, hinzunehmen und ins Geschehen nicht einzugreifen, stark abgenommen hat.
Diese Übung legt offen, dass unser Körper immer als Einheit agiert. Selbst bei der so wenig spektakulären Atmung spielen gesamtkörperliche Vorgänge eine Rolle.
Beim ersten Teil der Übung haben wir uns auf unseren Stand konzentriert, das hat uns etwas von der Atmung abgelenkt.
Jetzt versuchen wir das Atemempfinden im Liegen: Legen Sie sich auf den Rücken, verschränken Sie die Hände hinter dem Nacken und beobachten Sie, wie sich die Bauchdecke mit der Atmung hebt und senkt. „Bauchatmung“ wird auf einmal ein sehr plastischer Begriff, oder? Wieder ist wesentlich, dass Sie
die Atmung von alleine geschehen lassen, ohne einzugreifen. Die Bauchdecke hebt sich „von selbst“. Vielleicht hilft folgende Vorstellung: Stellen Sie die Atmung auf Automatik, so wie bei einem Auto, und schauen Sie zu, wie das funktioniert.
2. Tiefenatmung im Stehen
Stellen Sie sich wieder bequem hin: Diesmal die Beine schulterbreit auseinander. Legen Sie eine Hand zur Kontrolle auf den Bauch und stellen Sie sich eine Tasse Kaffee oder etwas anderes, für Sie angenehm duftendes vor: Frischer Tee, eine Strauß Blumen – geschenkt bekommen oder selbst gekauft. Wichtig ist, dass Sie es sich wirklich vorstellen. Und jetzt riechen Sie bitte daran. Wenn Sie wirklich wissen wollen, wie „es“ riecht, werden Sie unwillkürlich in den Bauch atmen. Sie können auch in einen imaginären Wald hineinriechen.
Strömt die Luft in Richtung Bauch? Hebt sich die Hand? Funktioniert es?
Noch ein zweites Bild, wenn´s noch nicht geklappt hat:
Ihre Nase ist wegen Schnupfens völlig zu. Sie sind deswegen schon etwas genervt und ziehen fest und geräuschhaft die Luft durch die Nase ein. Ein so starker Zug kann nur vom Zwerchfell ausgehen.
Wer so erlebt hat, was mit Tiefenatmung gemeint ist, kann etwas moderater Einatmen bis hin zu ganz allmählichen Einatembewegungen und haz trotzdem immer genug Luft. Belassen Sie die Hand zur Kontrolle am Bauch.
3×7-Übung:
Wenn Sie wollen können Sie jetzt auch wie ein Vorhang in unterschiedliche Tiefen atmen. In 3 Etappen zu je 7 Atemzügen. Zu Beginn atmen Sie 7x nur in den Brustkorb, aber noch nicht in den Bauch. Halten Sie sich bewußt zurück.
Bei den nächsten 7 Atemzügen können Sie schon etwas in den Bauch atmen (wie oben beim Riechen) und unterstützen Sie diese Atemübung durch Visualisierung. Atmen Sie zuletzt 7x bis ganz tief in den Bauch. Ähnlich wie bei der Schnupfen-Übung, doch diesmal, indem sie allmählich einatmen . Versuchen Sie in Ihrer Phantasie mit dem Zwerchfell bis zu den Knien zu kommen.
Diese extreme Tiefatmung ist zwar keinesfalls zum Sprechen geeignet, lässt sich aber gezielt zur Beruhigung des Gesamtorganismus im Vorfeld spannungsgeladener Auftritte einsetzen . Wenn es dann ans (Sprach-)Werk geht, ist Ausatmen wichtiger als tiefes Einatmen. Zum Sprechen bedarf es nicht so viel Luft, wie man denkt. Und mehr Luft als normal ist keinesfalls besser. Viel wichtiger ist, die Ausatmung so zu optimieren, dass Sie mit möglichst wenig Luft möglichst lange auskommen.
3. Gähn – Übung
nach Herzenslust… …am besten ohne die Hand vorzuhalten, so geräuschaft wie möglich und unter Einsatz des ganzen sich räkelnden Körpers.
Im Ernst: Das Gähnen zählt zu den ältesten Übungen der Stimmerziehung.
Die Atmung geht von selbst in die Tiefe.
* Der Mund- und Rachenraum wird geweitet. Bessere Resonanz und vollere Stimme sind die Folge.
* Die Stimmlippen werden befeuchtet. Das hält sie geschmeidig und verhindert das Austrocknen.
* Der Kehlkopf senkt sich in die Tiefstellung.
* Genau dort gehört er auch beim Sprechen hin, da der Sprechapparat ansonsten verkrampft ist und die Stimme über der normalen und gesunden Sprechstimmlage (Indifferenzlage) liegt.
4. Das Ausatmen (Expiration)
Wenn Sie das Einatmen in die Tiefe beherrschen, wird es Zeit sich um die Ausatmung zu kümmern. Zu Beginn sprechen Sie ein „f“, nachdem Sie ganz beiläufig (nicht sonderlich tief) eingeatmet haben, bis Ihnen allmählich die Luft ausgeht. Zählen Sie dabei im Kopf mit (ganz nach eigenem Tempo).
Zählen Sie auch beim Einatmen mit, doch versuchen Sie nach wie vor die Atmung von selbst geschehen zu lassen, also nicht willkürlich einzuatmen. Sie werden punktgenau spüren, wann der Körper sie zum Einatmen „auffordert“. Die Ausatmung auf „f“ sollte mindestens doppelt so lange anhalten wie die Einatmung. Bei Sängern beträgt das Verhältnis Ein- zu Ausatmung bis max. 1:50. Versuchen Sie die Ausatemdauer zu verlängern, wobei die Einatmung möglichst beiläufig und unauffällig erfolgen soll. Eine Verlängerung der Expiration (Ausatmung) gelingt spielend, wenn Sie sich eine Gegenbewegung zum allmählich zusammensackenden Brustkorb denken: Stellen Sie sich, während Sie auf „f“ ausatmen, vor, dass Sie in einen Ballon blasen, der auf diese Weise kontinuierlich mit Luft gefüllt wird. Der Ballon umgibt unsere Lunge wie eine zweite Haut. Es ist also gerade so, als würden wir die Atemluft nicht nach außen abgeben, sondern so, als würden wir uns aufblasen. Genauso ruhig und allmählich, wie wir auf „f“ unsere Luft abgeben. Wenn sie den Laut nicht unterbrechen, werden sie automatisch mit minimalem Luftaufwand phonieren. Entgegen der Ausatmung immer weiter anwachsen bis man fast kugelrund ist.
Diese Gegenbewegung zur Ausatmung nennt man Stütze. Für gutes Sprechen ist sie sehr hilfreich.
Mit Hilfe dieser Übung werden Sie ohne Weiteres in der Lage sein, folgende Textpassagen sprechen zu können, ohne nachzuatmen. Es handelt sich bei den Versen um japanische Gedichte, die häufig für Sprechübungen dieser Art verwendet werden:
1. Vollmond.
Ein Duft von Licht
schwebt über dem Wasser.
2. Viele Gedichte klingen wahr.
Aber die tiefste Wahrheit lebt in denen,
die einfach sind wie Kinderworte.
3. Wie wundersam die Welt im Mondlicht dämmert!
Kommt doch heraus und seht´s Euch an!
Zum Schlafen ist am Tage Zeit genug.
Wenn Sie sich jetzt fragen, ob damit alle 3 am Stück gemeint sind – probieren Sie es aus!
Mit der Stimme immer im grünen Bereich - im Brustton der Überzeugung.
Johannes 1, 1
Info
Jeder Redner ist gerade so gut, wie seine Stimme. Mit ihr kann er seinen Zuhörer für sich einnehmen, für eine Sachewerben und gewinnen, ohne viel sagen zu müssen. Jede einzelne Stimme hat verschiedene Farben und Facetten: Drohung, Sachlichkeit, Werbung, Verführung, Souveränität. Jeder Sprechende ist von seiner Stimme abhängig wie der Musiker von seinem Instrument.
Insbesondere für Berufsredner ist sie von existenzieller Bedeutung. Denn ohne Stimme ist Kommunikation nur schwer möglich. Beschwerden, die bei mangelnder Stimmhygiene eintreten können, sind vermehrte Anstrengung beim Sprechen, anhaltende, und sogar zunehmende Heiserkeit, schnelle Stimmermüdung, Druck und Kloßgefühl im Hals oder schlimmsten Falles das völlige Wegbleiben der Stimme. Deshalb bietet die Stimme nicht nur ein großes Potential, das entwickelt werden kann – Sie muß auch gepflegt werden.
Wie funktioniert eigentlich unsere Stimme?
Um gut mit unserer Stimme umzugehen, wollen wir sie zunächst kennenlernen. In unserem Kehlkopf befinden sich die Stimmlippen (ugs.: Stimmbänder). Diese werden von der ausströmenden Luft in Schwingung versetzt. Das wiederum ergibt einen hörbaren Ton, der in Mund-, Nasen- und Rachenraum zu den uns wohlbekannten Lauten geformt wird. Wie der Luftverbrauch optimiert werden kann, dazu ist im Kapitel „Atmung“ eine Übung beschrieben.
Dass wir mit unserem Kehlkopf Töne erzeugen können, ist eine sehr späte Erfindung unserer Bio-Konstruktion. Ursprünglich benötigte der Mensch den Kehlkopf lediglich als Weiche zwischen Schlund und Luftröhre. Damit auch alles dahin kommt, wo es hingehört. Dass sich unser Kehlkopf zum Sprechapparat entwickelt hat, ist demgegenüber „nur“ eine Sekundärfunktion.
Im folgenden wird es um Übungen zum richtigen Umgang mit dieser uns so lieb und teuer gewordenen Sekundärfunktion gehen. Damit sie, unsere Stimme, ihre Möglichkeiten entfalten kann und damit SIE Ihre Möglichkeiten entfalten können.
Übung
Um an der Stimme zu arbeiten, ohne sich dabei Gefahren auszusetzen, etwas verkehrt zu machen, sich etwas Falsches anzugewöhnen oder sogar die Stimme zu schädigen, braucht man die professionelle Begleitung eines Sprecherziehers oder eines Logopäden. Dennoch wollen wir Ihnen hier ein paar Übungen anbieten, mit denen Sie Ihre Stimme kennenlernen und dadurch verbessern können.
1. Erste Stimmwahrnehmung
Legen Sie bitte Ihren Kopf in den Nacken und sprechen (phonieren) Sie den Laut „o“. Während Sie das „o“ sprechen, nehmen Sie den Kopf allmählich nach vorne, bis Ihr Kinn auf dem Brustkorb ankommt. Sie werden dabei erstaunliche Veränderungen des Stimmklanges wahrnehmen.
Wiederholen Sie die Übung, bis Sie sich „eingehört“ haben, und halten Sie dann den Kopf bei der Abwärtsbewegung genau da still, wo der Ton am schönsten und vollsten für Sie klingt.
2. Der Brustton der Überzeugung : LASSO-SCHWINGEN
Die meisten Sprechenden, die überzeugen oder dominieren wollen, machen den Kardinalfehler, dass sie zu laut und zu hoch sprechen. Gerade in dieser Mischung liegt die Tücke, da gerade das verkrampfte zu laut Sprechen zu den gravierenden stimmschädigenden Fehlern gehört. Dabei ist es erstaunlich, wie laut und tragend die Stimme sein kann, ohne sie über Gebühr zu strapazieren.Der Ton kommt dabei aber aus der Brust und nicht aus dem Hals.
Dazu folgende Übung: Stellen Sie sich vor, Sie schwingen über Ihrem Kopf ein Lasso. (Sie können natürlich auch mit einem echten Seil arbeiten. Würde den Spaß bei der Sache sicher erhöhen.) Begleiten Sie das Lasso-Kreisen mit rhythmischen „Hoo Hoo Hoo“-Rufen.
Lassen Sie die Knie dabei leicht gebeugt sein. Die Haltung ist dadurch dynamischer. Wenn es auf Dauer in die Oberschenkelmuskulatur geht, dann machen Sie es richtig.Steigern Sie den Radius der Lassoschlinge und entsprechend das Volumen Ihrer Rufe. Dennoch sollten die Laute wie von selbst kommen.
Jedes Gefühl von Anstrengung deutet darauf hin, dass der Ton aus dem Hals kommt. Auf keinen Fall sollten Sie die Stimme überfordern. Versuchen Sie es lieber mehrmals und steigern Sie allmählich.
Zwischendurch hilft folgendes: Um den Resonanzraum zu weiten unterbrechen Sie die Übung und gähnen Sie einmal so ausgiebig wie möglich. Dazu alle Gliedmaßen strecken. Wenn Sie beim Gähnen einen Laut von sich geben, dann hat dieser genau die richtige Tonqualität. Überprüfen Sie Ihre Tiefenatmung. Versuchen Sie es dann noch einmal mit dem Lasso. Wenn Sie lange genug gekreist haben, dann stellen Sie sich ein Pferd in ein paar Meter Entfernung vor, dem sie mit einem kräftigen „Hooii“ zum Ende der Übung das Lasso um den Hals werfen. (Für eingefangene Vorhänge oder Lampenschirme können wir leider keine Haftung übernehmen.)
3. Den längeren Atem haben: Abspannen mit der „Lokomotive“
Stellen Sie sich wieder hin, die Beine schulterbreit auseinander. Heben Sie beide Arme in Brusthöhe vor Ihrem Körper und ballen Sie die Fäuste. Ziehen Sie unter zunehmenden Kraftaufwand beide Hände zum Körper. Auf dem Höhepunkt der Aktion lösen Sie die Hände und lassen die Arme wieder nach vorne schnellen. Wiederholen Sie diesen Bewegungsablauf und phonieren Sie dazu kräftig „sch – sch – sch“ im gleichen Rhythmus wie die Armbewegung. Beginnen Sie langsam und steigern Sie ganz langsam das Tempo.
Sie sollen dabei nicht nachatmen: Durch das Zurückfedern der Bauchmuskeln füllt sich die Lunge von selbst wieder. Das heißt, Sie können diese Übung über geraume Zeit machen, ohne nachzuatmen. Gelingt es nicht so richtig, so sprechen Sie das „sch“ noch härter und lassen sie sich Zeit. Es reicht, langsam zu beginnen. Die Übung ist dann erfolgreich, wenn Sie nicht nachatmen müssen. Wichtig: zum Beginn der Übung nicht übermäßig Luft holen, sondern aus der „normalen“ Mittellage heraus anfangen.
eim alltäglichen Sprechen gelingt das Abspannen nur, wenn die Artikulation sehr deutlich ist. Es geht dabei nicht um Hochlautung, also gegen Ihren Dialekt, sondern einzig um die deutliche Aussprache (Formstufe). Denn nur deutlich artikulierte Konsonanten „t, p, k, sch, …“ ermöglichen, dass sich die Lunge federnd wieder füllt. Deshalb jetzt diese Übung. (Darüber hinaus lässt sich Lautbildung nur mit Hilfe eines fachkundigen „Ohres“ bewerkstelligen.)
4. Zur Verbesserung der Artikulation: Korkensprechen
Nehmen Sie einen Korken wie ein Zigarre in den Mund und halten ihn mit den Schneidezähne fest. Lesen Sie mit dem Korken im Mund möglichst deutlich einen Text. Sie können ja gleich diesen nehmen. Um das Ergebnis zu vergleichen können Sie sich vorher und nachher mit einem Kassettenrekorder aufnehmen.
Das Ergebnis wird Sie überzeugen. Zugegebenermaßen verbessert sich dadurch die Artikulation bei dem geübten Textstück sehr viel mehr als unsere Spontansprache. Doch macht Ihnen diese Übung zum einen den Unterschied bewusst und zum andern bewirkt das zusammen mit einigermaßen regelmäßigem Üben auch eine deutliche Aussprache in Ihrem Alltag.
Das Korkensprechen gehört zu den populärsten, aber auch zu den umstrittensten Übungen in der Stimmbildung. Diese Übung zeitigt rasche Erfolge bezüglich der Artikulation. Dem steht die Gefahr gegenüber, sich die falsche Bildung von Lauten anzugewöhnen. Ich halte den Nutzen der Übung für überwiegend, möchte aber einschränkend hinzufügen, dass sich das Korkensprechen nicht als Übung auf Dauer empfiehlt. Sie lässt sich sehr gut einsetzen, um die Artikulation „aufzuwecken“; nicht nur für Gesprächsanlässe am Vormittag.
Dazu eine ergänzende Übung zur Belebung von Zunge und Mundraum.
Sie geht folgendermaßen: Stellen Sie sich vor, Sie hätten gerade etwas gegessen, und „putzen“ jetzt mit Ihrer Zungenspitze die Zahnreihen von rechts bis ganz links, innen und außen und den Mundraum – soweit er für die Zunge zu erreichen ist. Je gründlicher Sie dabei sind, um so wacher werden Ihre Artikulationsinstrumente. Diese Übung hat den Vorteil, dass sie stumm vor sich gehen kann.
Lesen Sie unbedingt auch die Tipps zur Stimmhygiene auf der Seite „Notfallkoffer“.
Lernen Sie Ihre Körperhaltung kennen und beziehen Sie Stellung.
Moshé Feldenkrais
Haltung und Körperstruktur spiegeln das mentale Leben, also Körperempfindungen, Gedanken, Gefühle. Sie offenbaren unsere Einstellungen, Überzeugungen und Gewohnheiten.
Info
Unser Körper ist nicht das Gefängnis unseres Geistes sondern das Material aus dem er besteht. Seine Signale können von uns und anderen wahrgenommen werden – sie sind wesentlicher Bestandteil unserer Kommunikation. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass uns dieser Bereich weitgehend unbewusst bleibt. Im Kommunikationstraining spielt die Arbeit an der Gestik und anderen Bereichen nonverbaler Kommunikation eine große Rolle. Über Gesten und Auftreten kann man am besten abgestellt auf den Einzelfall sprechen. Das ist immer Arbeit mit dem einzelnen Seminarteilnehmer.
Die Übungen, die hier vorgestellt werden, sollen für den eigenen Körper und die alltägliche Haltung sensibilisieren. Es geht also nicht um Training mit Hantel und Gewichten. Dem „athletischen“ Schönheitsideal, das von den Titelblättern der Wochenzeitschriften und aus Film und Fernsehwerbung hinlänglich bekannt ist, steht ein Ideal anmutiger Schönheit und Natürlichkeit gegenüber, die mit der „Figur“ des Betreffenden eigentlich nichts zu tun hat.
Vielleicht kennen Sie die Körperhaltung der Tuareg oder anderer Naturvölker bei der Arbeit, beim Korbtragen oder beim Sitzen auf dem blanken Boden. Was sich diese Menschen erhalten haben, ist die größtmögliche Ökonomie der Bewegung und eine schonende Körperhaltung. Dass unsere Lebenswelt dieser ursprünglicher Natürlichkeit entwachsen ist, schließt ja nicht aus, dass wir für unseren Körper darauf zurückgreifen sollten, was schon immer richtig war und was unserem Körper entspricht. Auf den positiven Einfluss unseres souveränen Auftretens lässt sich unschwer schließen.
Übungen
Ziel der folgenden Übungen ist, den eigenen Körper (wieder) wahrnehmen zu lernen, wie er ist, und zu erkennen, welcheBotschaften er uns und unserer Umwelt mitteilt. Schließlich haben wir ein Recht zu erfahren, was er über uns aussagt.
1. Fremd-Wahrnehmung: Die Suche nach den Botschaften
Achten Sie, wenn Sie das nächste mal aus dem Haus gehen, verstärkt auf die Körperhaltung der Menschen, die Ihnen begegnen. Versuchen Sie, besonders auffällig Haltungen nachzuempfinden und sichtbar zu machen.
Zu Hause können Sie die Haltungen dann imitieren. Wie fühlt sich diese Haltung an? Aktiviert oder Deaktivert sie, ist sie locker oder angespannt, was will er/sie sagen, …
Nur wer Verschiedene ausprobiert, mit ihnen spielt, findet zu den feinen Nuancen der Körpersprache.
2. Experimentieren mit der eigenen Haltung: Sieg und Niederlage
Richten Sie sich zu voller Größe auf… und darüber hinaus. Ein Gefühl der Erhabenheit macht sich breit. Sie treten der Welt als ein Gewinner gegenüber. Ein Gefühl, als hätten Sie eben einen großen Coup gelandet.
Dann machen Sie sich bewusst ein Stück kleiner. Es fällt leicht, sich geknickt zu fühlen, wenn man so dastehst. Es fällt sehr schwer, sich so stark zu fühlen!
Wechseln Sie zwischen beiden Haltungen hin und her. Nach ein paar mal schon werden Sie wahrnehmen, wie der eigene Körper unwillkürlich zu einer der beiden Haltungen tendiert, wie die Haltung auch im Laufe eines Tages zwischen diesen Polen wechselt.
Dann besteht die Chance, sich zu hinterfragen, was zu dem Wandel geführt hat und wie er sich vollzogen hat. Es geht nicht darum immer für die Siegerpose zu sorgen, sondern vornehmlich um die Wahrnehmung unserer Haltungen und das Entschlüsseln der Botschaften. Nur wer weiß, „wie er dasteht“, kann angemessen agieren.
3. An der eigenen Haltung arbeiten
Die beiden folgenden Übungen geben Ihnen ein Bild an die Hand. Wenn es Ihnen gelingt, sie nachzuempfinden, dann stellen sich automatisch die gewünschten körperlichen Phänomene – Entspanntheit und Körperbewusstheit – ein. Die vielen Muskelgruppen, die andernfalls im einzelnen zu steuern wären, sind unserer bewussten Bedienung weitgehend entzogen. Lassen Sie sich darum auf die Bilder ein.
Der Akrobat
Schwerkraft ist die Wurzel aller Anmut
Laotse (ca. 7 Jh. v. Chr.)
Stellen Sie sich vor, Sie balancieren mühelos auf einem Stab. Er reicht vom Mittelpunkt der Erde bis unter Ihre Füße. Bei dieser Übung kann man spüren, wie sich der Körper mühelos aufrichtet. Das Bewusstsein konzentriert sich bei dieser Übung auf die Wirkung der Schwerkraft.
Wer an Rückenschmerzen, Niedergedrücktheit, ständiger Müdigkeit leidet, der spürt die Wirkung der Schwerkraft besonders stark. Wir balancieren unseren Körper entgegen der Schwerkraft, die Erdanziehung ist es, die uns aufrecht gehen lässt. Beim aufrechten Gang balanciert der Körper sich quasi selbst aus und kann mit minimalen Kraftaufwand gehalten werden. Jede „Schieflage“ erfordert zusätzliche Muskel – Anspannung. Je länger, desto verkrampfter.
Die Wasserfontäne und der Ball
Stellen Sie sich vor, Ihr Kopf ist ein Ball, der auf einer Springbrunnen-Fontäne balanciert.
Wenn es Ihnen gelingt, sich dieses Bild zu vergegenwärtigen und zu „spüren“, dann experimentieren Sie doch in verschiedenen Situationen Ihres Alltages damit. Die zivilisierte Welt bietet genügend (lästige) Warteminuten, um so etwas auszuprobieren: Im Straßenverkehr (selbstredend!), beim Warten auf den Lift, beim Starten des Rechners, an der Kasse und bei vielen weiteren Gelegenheiten.
Diese einfache Übung bewirkt die Entspannung der Nackenmuskulatur, also einer jener Muskelpartien, die für Verspannungen besonders anfällig sind. Starke und häufige Verspannungen dort führen zu Kopfschmerzen und körperlichem Unbehagen. Wenn Sie zusätzlich darauf achten, dass die Schultern ganz entspannt bleiben (Wie?: Die Wasserfontäne sprudelt ganz von selbst; ab Schulterhöhe fällt das Wasser schwer zu Boden.), dann erreichen Sie mit dieser Übung auch die optimale Lockerung des Kehlkopfes und damit des Stimmapparates.
Ein ökonomischer und elastischer Stimmeinsatz ist mit dieser Lockerheit gewährleistet. Dies sind nur ein paar Übungen, die Ihnen einen Einblick in den Bereich der Körperarbeit geben können. Wenn Sie dazu beitragen, die eigene Körperwahrnehmung zu verbessern, dann ist schon viel gewonnen. Manches ergibt sich dann von allein.
Notfallkoffer bei aktuellen Stimmproblemen: Was Sie tun können und was sie unbedingt lassen sollten.